14.03.2018 | Kanzlei

Kameraüberwachung in Mannheim

In Mannheim sollen in Zukunft 71 Videokameras an 28 Standorten die Innenstadt überwachen.

In Mannheim startet in den kommenden Monaten ein großes Pilotprojekt zur intelligenten Videoüberwachung. An 28 Standorten sollen zukünftig 71 Kameras die Innenstadt überwachen.

Die Standorte:

  • In der Breiten Straße vom Paradeplatz bis zum Neckartor, inklusive Marktplatz
  • im Bereich des Alten Messplatz
  • in der Fußgängerzone in den Quadraten O7/P7, dem sogenannten ‚Plankenkopf‘
  • am Bahnhofsvorplatz

Betroffen ist somit fast die komplette Innenstadt mit Ihren zahlreichen Einkaufspassagen.

Die dort durch die Kameras eingefangen Bilder werden verschlüsselt zum Lagezentrum der Polizei gesendet und dort durch ein vom Fraunhofer-Institut in Karlsruhe entwickeltes Computerprogramm elektronisch ausgewertet - und zwar mithilfe eines Algorithmus. Damit es möglichst wenige Fehlalarme gibt, wird versucht, der Software anhand von Echtmaterial beizubringen, welches Verhalten sie melden soll - und welches nicht.

Erkennt die Software hektische oder untypische Bewegungen, etwa ein Schlagen, Rennen oder Fallen, blinkt eine Lampe auf, und ein Polizist schaut sich die Szene am Bildschirm an. Erst zu diesem Zeitpunkt sollen die Überwachungsbilder scharf gestellt werden, damit der Beamte die Lage beurteilen und eine Streife alarmieren kann. Eine Polizeistreife soll dann in gut zwei Minuten vor Ort sein.

Auch wenn der Erste Bürgermeister Christian Specht betont, dass es nicht um eine Totalüberwachung der Bürger, sondern lediglich um das Erkennen atypischer Bewegungsmuster gehe, ist dennoch Kritik angebracht.

Ein schnelles Wegrennen, das längere Warten an bestimmten Plätzen oder spielende und rennende Kinder reichen unter Umständen schon dazu aus, dass die Software einen Dieb bzw. Drogendealer vermutet. Die Fehlerquote dürfte zwar angesichts des lernenden Systems stetig verringert werden. Das Restrisiko durch bestimmte Bewegungsabläufe als Verdächtiger eingestuft zu werden, bleibt jedoch auch weiterhin bestehen. So könnten sich also die Anwohner zum unauffälligen, angepassten Gang durch die erfassten Zonen genötigt sehen – oder die Orte gänzlich meiden. Beides stellt eine Einschränkung in der Bewegungsfreiheit des Menschen sowie in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG normierte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dieses Grundrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 -, BVerfGE 65, 1, 41 – 42 –).

Natürlich kann Kamerüberwachung dabei helfen Straftaten zu bekämpfen. Dennoch darf hierzu nicht so massiv in die Rechte der Allgemeinheit eingegriffen werden. Fraglich ist außerdem, ob Videoaufnahmen von Straftaten überhaupt in einem Prozess gegen die jeweiligen Täter verwertet werden dürften. Dies ist im jeweiligen Einzelfall genaustens zu prüfen. Es muss dabei regelmäßig eine Einzelfallbezogene Güter- und Interessenabwägung stattfinden.

Strafverteidiger Georgios Kolivas aus Mannheim